Ein bisschen Geschichte gefällig …?

Jedes Land, jede Region bis ins kleinste Dorf hat "seine Geschichte". Die Geschichte von Mörbisch am See ist wegen seiner exponierten Lage und des besonderen Charakters des Dorfes von verschiedenen (Heimat-) Forschern umfangreich aufgearbeitet worden – sehr gut nachzulesen in der Festschrift zum 750. Geburtstag von Mörbisch im Jahre 2004.

 

Schaut man sich die geografische Lage von Mörbisch genauer an, dann entdeckt man einige markante Besonderheiten, die die Ansiedlung und Blüte des Dorfes begünstigt haben:  Im Osten erstreckt sich die unendliche Ungarische Tiefebene (Puszta) mit ihrem milden Klima; auch die Gegend um Mörbisch ist noch "potteben". Nicht weit weg im Westen laufen die Ostalpen aus. Mörbisch liegt zudem im Schutz des nordwestlich gelegenen Leitha-Gebirges; das ermöglichte den Rückzug bei Feindeinfall, denn wenn mal wieder die Awaren, Hunnen, Magyaren oder später die Türken mordend und brandschatzend auf "Einkaufstour" waren, empfahl es sich, seinen Wohnsitz vorübergehend ins Leitha-Gebirge zu verlegen. Im Norden fließt die Donau von West nach Ost und bot seichte Übergänge (Furten). Nicht zu vergessen der Neusiedler See, der es unseren Altvorderen ermöglichte, neben der Ernte, gesammelten Früchten und der Jagdbeute ihren Speisezettel mit Fischen zu bereichern; und wo ein großer See ist, ist Wasser keine Mangelware, und ein großes Gewässer wirkt zudem klimaregulierend.

Es liegt auf der Hand, dass die Region schon im Altertum Durchzugsgebiet wurde und bereits in der Steinzeit dauerhaft, aber von verschiedenen Völkern besiedelt worden ist. So verband – von St. Petersburg kommend und in Venedig/Padua auslaufend – die BERNSTEINSTRASSE als wichtiger Handelsweg den hohen Norden mit Europas Süden. Die Bernsteinstraße war eigentlich eine Zusammenführung von verschiedenen Handelswegen (teils Römerstraßen), die den einigermaßen sicheren Handel unter anderem mit Bernstein und Pelzen von der Ostsee und Gewürzen, kostbarer Seide und anderen Gütern aus Südeuropa und dem Orient ermöglichte. Ihr Verlauf: St. Petersburg – Riga – Danzig – Breslau – Brünn – vorbei an Wien und Pressburg – Eisenstadt – Ödenburg – quer durchs heutige Slowenien nach Venedig und weiter bis Padua.

 

 

Grafik Quelle: Resch / Graz

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Den bequemen Weg ohne Überquerung der Alpen, die im Winter fast unüberwindbar waren, und das gefahrlose Übersetzen der Donau haben bereits die Römer schätzen gelernt. Die Tiefebene von Westungarn wurde um 10 nach Christi als Provinz Pannonia ("Sumpfland") einverleibt. Am Südufer der Donau entstand das riesige Ausrüstungszentrum CARNUNTUM, um die Soldaten für die Eroberungszüge in Germanien fit zu machen. In der Folge gab es eine Vielzahl von römischen Siedlungen, die alle ihre Spuren hinterlassen haben, unter anderem auch den Mitras-Kult, und weitere Niederlassungen entstanden – wo Handelswege sind, folgt auf den Fuß eine Infrastruktur, wie wir es heute nennen.

Mittendrin also Mörbisch. Mörbisch entstand direkt in dem schmalen, ebenen Streifen zwischen dem Schilfgürtel des Neusiedler Sees im Osten und dem Schutz bietenden Ruster Hügelland im Westen, das zudem den Anbau von Wein in bester Lage begünstigte (und damit eine weitere, willkommene Einnahmequelle!). Mörbisch hat sich, angepasst an den schmalen Uferstreifen, als sog. Schmalangerdorf entwickelt – eine typische Siedlungsform im Burgenland. Häufig längs eines Baches oder eines langgestreckten Teiches wurde von der Dorfgemeinschaft eine Weide angelegt, der Anger, begleitet von der Dorfstraße. Quer dazu – in Mörbisch von West nach Ost – wurden dann die einzelnen Streckhöfe der Bauern an den Anger angebunden, oft extrem schmale und dafür sehr lange Parzellen, die alle an einem gemeinsam genutzten Feldweg endeten, über den die Bauern dann mit ihren Gespannen die Felder erreichen konnten. Die beiden Zufahrten konnten bei Gefahr schnell "zugemacht" werden. So wurde das Dorf bei Überfällen wehrhaft ohne Hilfe von außen. Wuchs das Dorf weiter, wurde einfach der Anger samt Dorfstraße verlängert. So entstanden sehr lange Straßendörfer, was noch besonders gut am Nachbardorf Kroisbach (heute Fertörákos) jenseits der ungarischen Grenze beobachtet werden kann. Ein zu langgestrecktes Dorf wurde aber irgendwann unpraktisch. Bei weiterem Wachstum wurden dann die Feldwege am Ende der Streckhöfe ordentlich befestigt und von dort aus weitere Wirtschaftsgebäude oder sogar neue Streckhöfe angelegt; so ging das Dorf in die Breite. Es wird hier auch klar: Die Hofgassen sind meist keine öffentliche Straßen, sondern private Höfe, die alleine den Eigentümern gehören – auch wenn sie nicht mehr durch ein Tor zur Hauptstraße versperrt sind.


Bei der Erschließung der Hofparzellen wurde vermutlich zuerst die Durchfahrt direkt vom Anger in den hinteren Feldweg für die Ackerwagen angelegt, und was dann noch in der Breite übrig blieb, wurde direkt an der Hauptstraße mit dem Wohnhaus bebaut. Weiter hinten auf dem Streckhof entstanden entsprechend dem Bedarf und vorhandenem Ersparten nach und nach Scheunen und Wirtschaftsgebäude, so lange der verbleibende Platz es hergab. Als Folge von Erbteilung wurden weitere Wohnhäuser in ähnlichem Stil angebaut.

Zeichnung Quelle: Struck

Das typische Hofgassenhaus bestand meist aus drei bis vier Räumen, in der Mitte mit direktem Zugang vom Hof in die Küche mit anhängendem Vorratsraum (Kuchl mit Speis), von da aus ging es nach links und rechts in die gute Stube bzw. die Schlafkammer.

Unser Hofgasslhaus hat solch' einen typischen Grundriss, ist an einem Ende nur 6,25 m, am anderen Ende 5,75 m schmal, und dafür über 16,00 m lang, und die hintere Längswand im Norden ist unübersehbar gebogen. Diese eigenartigen "krummen" Abmessungen sind typisch: Offenbar hat jeder Bauer ein paar Stecken nach Augenmaß in die Erde gerammt – das war dann sein Grundstück; rechte Winkel und parallele Seiten waren eher Glücksache. Der Baustoff war Sandstein aus dem Steinbruch im Nachbardorf Kroisbach (Fertörákos); der war günstig zu beschaffen und leicht zu behauen und wurde mit Lehmmörtel zu Mauern gefügt. Das erforderte bei einem normal großen Streckhofhaus nach Erfahrungswerten etwa 60 cm dicke Außenwände, damit alles standhielt und die Zeit überdauerte. Diese dicken Sandsteinwände waren und sie sind nach wie vor ein hervorragender Energiespeicher, was sich besonders im heißen Sommer auszahlt.

 


Die Decken wurden bei etwas größeren Spannweiten als selbst-abstützende Kuppelgewölbe ausgeführt, Stahlbeton gab es noch nicht. Folglich hatte auch der Dachboden wegen der Kuppeln ein buckliges Profil und konnte deshalb nicht als Wohnraum genutzt werden. Hier wurden Heu und Schilf für die Viehfütterung gelagert (gleichzeitig Wärmedämmung für die Decke!), ansonsten war er Rumpelkammer für alles Überflüssige; es wurde eben alles aufbewahrt … Als nach dem II. Weltkrieg die Bauern im Burgenland wohlhabender und die Ansprüche ans Wohnen größer wurden, fielen die schönen Gewölbedecken, oftmals auf der Wohnseite mit Rosetten und Bemalung reich verziert, der Spitzhacke zum Opfer. Sie wurden durch fade ebene Decken mit Stahlträgern ersetzt, um unterm Dach noch zusätzliche Schlafkammern zu schaffen.

 

Unser Hofgasslhaus liegt im ältesten Dorfkern – es ist vermutlich über 200 Jahre alt. Als wir es 1982 als Feriendomizil erworben haben, sah es auch fast so aus wie es alt war. Wir haben das Haus möglichst behutsam saniert und modernisiert, denn niemand möchte auf Dauer im Mittelalter Urlaub machen. Dabei haben wir versucht, den Charakter des Hauses zu wahren und die schönen Gewölbedecken belassen und ihre Verzierungen wieder hergerichtet, haben auch neue Türen und Fenster eingebaut, aber entsprechend dem Original unterteilt und mit Holz-Fensterläden und nicht etwa mit Kunststoffrollos ausgestattet, den verrotteten Dachstuhl wieder mit dem großen schützenden Dachüberstand zur Südseite erneuert, die unterm Teppichboden schamvoll verborgenen Holzdielen in den Wohnräumen freigelegt, geschliffen und geölt, alles so gut es ging. So ist unserem Hofgasslhaus dank der Gewölbedecken, der Holzdielen und anderer Merkmale eine gute Portion Charme erhalten geblieben.

 

Probieren Sie es selbst: Hier lässt es sich leben

 

Zum guten Schluss möchte ich noch etwas zu den Namen Mörbisch und Burgenland sagen:

 

Zu Zeiten der kaiserlichen und königlichen Monarchie war hier Deutsch-Westungarn, die natürliche historische Grenze zwischen den beiden Reichsteilen stellte das Leitha-Gebirge dar. Mörbisch (im Verlauf der Jahrhunderte unterschiedliche Namen wie: Megyes, Medies, Medwes, Merwisch oder Merbisch, ungarisch Fertömegyes – vermutlich alles abgeleitet von "medves" = reich an Weichseln/Kirschen) war ein deutsches Dorf. Die Einwohner stammten durchweg aus Bayern und teils aus Württemberg, was in den deutschen Namen und der Sprache fortlebt. Sie wohnten mehr zufällig in der ungarischen Reichshälfte der Monarchie Transleithanien (= "jenseits der Leitha"; die "kaiserliche Hälfte" nannte sich Cisleithanien). Nach dem I. Weltkrieg hat man Österreich alle Länder rundum von Südtirol über Böhmen, Galizien und Ungarn bis zum Balkan abgenommen, dafür aber in den Verträgen von Trianon / St. Germain Deutsch-Westungarn zugesprochen, dieses jedoch mit einem kleinen Schönheitsfehler: Sopron/Ödenburg als Verwaltungssitz samt Umland blieb nach allerlei Gezänk schließlich doch bei Ungarn, so dass das dazu gewonnene Gebiet keine Hauptstadt hatte (und womit auch gleich die schmale Taille des Burgenlands südlich von Mattersburg erklärt ist; sie entstand durch Herausschneiden des Komitats Ödenburg). Eine neue Landeshauptstadt war aber bald mit dem kleinen und damals sehr rückständigen Städtchen Eisenstadt gefunden.

 

Bei der Suche nach einem passenden Namen machte die Idee das Rennen, das neue Bundesland nach den ehemals ungarischen Komitaten Pressburg (heute Bratislava/Slowakei), Wieselburg (Moson), Ödenburg (Sopron) und Eisenburg (Vas) BURGENLAND zu nennen; der Vorschlag Vierburgenland, angelehnt an Siebenbürgen, blieb uns erspart. Ironie des Schicksals: Keines der namensgebenden Komitate ist in vollem Umfang bei Österreich gelandet, der Name BURGENLAND erfreulicherweise trotzdem geblieben. Und wer weiterhin glauben möchte, dass der Name von den vielen sehenswerten Burgen stammt, hat ja irgendwie auch Recht …

 

Quelle der historischen Bilder: Festschrift zum 750. Geburtstag von Mörbisch im Jahre 2004.

 

Ihre Gastgeber Heide und Dieter Struck
wünschen einen schönen Urlaub in Mörbisch am See!